Auswertung von Neubauern und Umsiedler betreffenden Findbüchern und Akten
Vermögensamt, 1945–1997
Nr. 2110 – Akte aus dem ehemaligen Vermögensamt des Muldentalkreises
- Das Vermögensamt des ehemaligen Muldentalkreises (1994–2008) befasste sich nach der Wende mit den Restitutionsforderungen der Altbesitzer, die ab 1990 auftraten; es wurde aufgelöst
- die Akte Nr. 2110 betrifft die Restitutionsforderung der Nachfahren des Rittergutsbesitzers Bretschneider-Bodemer, Rittergut Seelingstädt
- es ist eine gute exemplarische Akte für die Vermögensrückforderungen in den 1990er Jahren, nach der Wende
- Vorgänge von 1992 (Antragstellung) bis 1998 (Ablehnung)
- in der Akte befinden sich auch die Grundbuchauszüge für das Rittergut und die Aufstellung der Neubesitzer in Seelingstädt (vgl. im Staatsfilialarchiv Bautzen für die Gemeinden Wurschen, Nechern und Drehsa ebenfalls schon erfasst)
- In der Akte ist auch eine Liste von 14 im Kreis ansässigen Familien, die im Besitz von Rittergütern waren
LPG Gründungsprotokolle
Nr. 7958 – für LPG Ammelshain, Bernbruch, Skoplau, Motterwitz, Bockwitz, Beiersdorf, Seelingstädt, Rohrbach, Belgershain, Zschoppach, 1952–1974
- 538 Blätter (nicht nummeriert)
- Dieser Aktentyp (s. auch 7960 und 7962) ist für das Vertriebenenthema nur insofern ergiebig, als bei den Eintritten in die LPG (Aufnahmeantrag) der Geburtsort angegeben ist; außerdem kann die „Integrationsrate“ der Vertriebenen in der LPG-Struktur ersehen werden (Vorstände, Funktionen), sofern man die Namen von Vertriebenen kennt
- die LPG Typ III scheinen in dieser Akte nicht eigens behandelt zu werden (außer Bernbruch, Seelingstädt, Zschoppach); verschiedentlich erwähnt im Zusammenhang mit den LPG Typ I und II
- Zschoppach: Lebenslauf eines vorbildlichen LPG-Vorsitzenden Typ III s. Bl. 452
- relativ große Betriebsflächen der einbringenden Betriebe in Ammelshain, Bernbruch, Skoplau, Bockwitz, Beiersdorf , Seelingstädt, Rohrbach, Belgershain (70 bis 100 ha Gesamtflächen pro LPG, s. Suchworte Gründungsprotokoll oder Aufnahme)
- auffallend großer Betrieb z. B. in Belgershain mit 35 ha s. Bl. 451
- Hinweise Neubauer Bl. 296, 316 (Seelingstädt) bzw. Umsiedler (aufgrund der Herkunftsorte s. Bl. 236,37, Bl. 307 oder aufgrund Hinweis Pferde s. Bl. 216)
- expliziter Hinweis Altbauern s. Bl. 191 (Beiersdorf), 316 (Seelingstädt)
- Geburtsort-Angabe in den Aufnahmeanträgen, impliziter Hinweis (oder Vermutung) auf Vertriebene
- Bäuerliche Herkunft aus Schlesien eines jungen LPG Vorsitzenden Typ III als Profil, s. Bl. 452
- keine besonderen Vorkommnisse (z.B. Flucht in den Westen wie in Nr. 7960 und 7962) in Ammelshain, Bernbruch, Skoplau, Motterwitz, Bockwitz, Beiersdorf, Seelingstädt, Rohrbach
- LPG Rohrbach „Neuer Weg“ macht geheime Abstimmungen (Bl. 393, 396)
- Konflikte in LPG Seelingstädt 1957, s. Bl. 299ff., wegen fehlenden genossenschaftl. Handelns, Unterschlagungsvorwürfe, Austrittsbekundung
- Seelingstädt weist ein lebhaftes LPG-Geschehen auf (Zahl der LPG, Wechsel, Gründungen); möglicherweise deshalb 1960 das Bemühen, (erst) 1968 auch die LPG Typ I zum Zusammenlegen aller Felder mit Beiersdorf zu bringen (Versammlung Bl. 352f. möglicherweise beispielhaft für Ausübung von Druck)
- LPG Typ III – Protokoll Seelingstädt (1959, s. Bl. 273) vermerkt eingeladene Einzelbauern, die nicht erschienen sind. Ursprünglich 4 Mitglieder wächst sie bis 1964 auf 42 Mitglieder an
- bei den LPG-Funktionen ist die Parteienzugehörigkeit ab den 1960er Jahren vermerkt, z.B. Bl. 113, 157
- Mitgliedschaften: SED (Bl. 157, 267, 347 u. a.; im Lebenslauf LPG-Vorsitzender s. Bl. 542), CDU (Bl. 157), NDPD (Bl. 212); im DBD (Bauernverband?); Abkürzung ptl (parteilos) bei Gründungsversamml. Seelingstädt Alt- und Neubauern (316b)
- Reglementierung der privaten Schlachtungen in LPG Typ I Bl. 118
- Übergänge zu LPG Typ II bedeutet auch: Erweiterung der gemeinschaftlichen Viehhaltung (Bl. 136)
- Gen.bauer LPG Seelingstädt zu Übergang gemeinsame Viehwirtschaft zuzüglich Rinder (Bl. 353)
- Hinweis auf Datierung Musterstatut für LPG Typ II und Gesetzesnovelle (April 1949) s. Bl. 216
- Zusatzbedingung bei LPG „Einheit“ Seelingstädt ist das Einbringen eines Pferds (Bl. 216, Hinweis auf Umsiedler?)
- Geschlechterverhältnisse: verschiedene Versionen der Eintragungen des eingebrachten Besitzes; in der Regel dem Mann zugeschrieben (s. jeweils Gründungsprotokolle oder Aufnahmeanträge, Ausnahme z. B. Bl. 400, 448); Frau in der Regel als Ehefrau beitretend
- Frauen selten im Vorstand, außer in LPG III (auffallend: 3 Frauen im Vorstand: Seelingstädt Typ III; Ehepaar im frühesten Vorsitz, s. Bl. 296; LPG III Zschoppach: 8 Frauen, s. Bl. 453)
- Ehepaarl. Konflikt bezüglich LPG (Bl. 300); doppelter Eintrag eingebrachter Besitz bei Ehepaar Seelingstädt (Bl. 308)
sonst noch auffällig:
- 1970er Jahre / LPG III hat über 20 Personen im Vorstand s. Bl. 453ff.
- Protokolle Versammlungen Seelingstädt, z. T. handschriftlich (Bl. 298ff. und 316f. 351-356; deutlich Druckmittel zur weiteren Kollektivierung)
- da auch immer wieder: bäuerlicher Sachverstand, Detailprobleme rein agronomischer Art; Sorge um gute Wirtschaft
- Hinweis auf bes. Agrarpraxis: Tabak (Bl. 44 Ammelshain, 440 Belgershain), Hopfen (Ragewitz, s. Bl. 452), Ankauf von Kleesamen (mehrfach)
- Protokoll LPG III Zschoppach (1963) s. Bl. 466ff. (Kubakrise)
- Belgershain: besondere Aufnahmeanträge mit politischem Text (1960; gegen „Bonner Militaristen“) Bl. 435
- freiheitlich anmutender Forderungskatalog der Belgershainer als Bedingung für den Eintritt s. Bl. 440
- besonders ausführliche Aufstellung des Inventarbeitrags (1957) eines eintretenden Bauern (Nauberg), s. Bl. 479f.
- detailliertes Übergabeprotokoll Anschluss Gemeinde (ÖLB?) an eine LPG (1957)
- modern anmutende Psychologisierungen (Kritik am Individualismus betreffend u. a. in Protokollen Seelingstädt z. B. 352)
- Hinweise auf Vergünstigungen durch Eintritt in die LPG (Milchpfennig; ?S.V.K. s. Bl. 448)
Nr. 7960 – für LPGs Collmen, Zschadraß, Commichau, Skoplau, Seidewitz, Großsteinberg, Grimma, 1952–1960
- 400 Blatt, nicht nummeriert
- Unterschriftenblätter und Statute der LPGs
Collmen1 – 1958
Großsteinberg – 1952
Zschadraß – 1960
Grimma – 1952
Commichau – 1958
Skoplau – 1953
Seidewitz – 1960
- enthält viele Namenslisten der LPG-Führung
- ab 1964 ist bei den LPG-Funktionen die Parteizugehörigkeit vermerkt
- Kopien der Neubauernlisten
Nr. 7962 – für LPGs Kleinbothen, Kössern, Schaddel, Hohnstädt, Bahren, Grimma, Grethen, Großsteinberg, 1955–1962
- ca. 400 Bl. nicht nummeriert
- im Titel fehlen die Orte Großbothen, Hohnstädt, die in der Akte erfasst sind
- die Zeit reicht bis 1971 (S. 363 LPG Völkerfreundschaft Großsteinberg)
- insgesamt wenig explizite Parteipräsenz. „Kollege“ statt Genosse. SED tritt kaum auf (außer Großsteinberg S. 38ff.)
- insgesamt wenig explizite Parteipräsenz. „Kollege“ statt Genosse; SED tritt kaum auf (außer Großsteinberg S. 38ff.)
Bäuerliche Handelsgenossenschaft (BHG)
Nr. 8283 – BHG Seelingstädt, Trebsen, Otterwisch, Grimma, Nerchau, Colditz, Tanndorf, 1951–1955
- darin zwei Mappen und lose Blätter: Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (Bäuerliche Handelsgenossenschaft) Seelingstädt und zur Auflösung der Landwirtschaftlichen Dorfgenossenschaften
- viele Namen bekannt aus anderen Akten; Neubauern, Altbauern Alt-/Neubäuerinnen eigens aufgeführt, Gutsauzügler
- Statut der VdgB (BHG), darin u. a. Anlage von sogenannten „Mitschurin“-Feldern (nach sowjet. Muster)
- Liste Beitritte zu VdgB (BHG)
- einige Austritte und Kündigungen 1954/55; davon einige Neubauern Angabe Grund: „nach dem Westen“
- Ortsangaben im Aktentitel stimmen nicht; es kommen nur vor die Orte: Seelingstädt, Altenhain, Beiersdorf, Hohnstädt
Bodenreform
Nr. 8285 – Katasterveränderungsnachweise, 1960–1969 (Kreis Grimma)
- ca. 100 Bl. nicht nummeriert
- Nachweise für Gemarkungen: Grimma, Hohnstädt, Trebsen, Bahren, Sermuth, Seelingstädt, Beiersdorf, Leisenau, Otterwisch, Großsteinberg, Threna
- ausführende Dienststelle: Rat des Kreises Grimma, Abt. Bodenrecht bzw. Referat Kataster
- es geht um Abtretung kleiner Landstücke an VEBs oder zum Straßenbau ab 1960. Da Bodenreformland betroffen ist, muss jeweils die Zustimmung des Kreises Grimma erfolgen
- viele Namen einzelner Besitzer (z. T. aus Akten Bodenreform Großsteinberg, Seelingstädt bekannt); auch LPGs erscheinen als Landgeber
Nr. 8299 – Gemeinde Großsteinberg, 1946 bis 1952
- ca. 400 Blätter; nicht nummeriert
- ist aber nicht entsprechend gehaltvoll; einige Konfliktfälle, die sich über Jahre hinziehen und nur wenige Personen betreffen, füllen die Akte
- gut für einen Einblick in die Gemeinde Großsteinberg, enthält alle Namen von Neubauern
- enthält Liste Kleinsiedler; und Bl. 414 die Liste der 10 Neubauern
- es gab einen Konflikt zwischen den zuerst angekommenen und drei später gekommenen Neubauernfamilien, wegen Land- und Waldverteilung, der bis zur SMA nach Karlshorst gereicht wird
- Begriff „Neubauern-Umsiedler“ s. Blatt 18
- in der ganzen Akte wird deutlich, wie wirtschaftlich unfrei die Handelnden sind; gerade die wirtschaftlich Aktiven werden gemaßregelt (z. B. Bl. 108 der Mann mit der Fahrradreparaturwerkstatt); viele Fälle von Abgabe der Neubauernstellen; Neuvergabe
- einige Fälle von Verlassen der Neubauernstellen wegen „Absetzens“ in den Westen um 1960
- Herrenhaus Großsteinberg / Spiegeltisch, erwähnt S. 141
- ehemaliges Rittergut S. 219
- Verwalter des ehemaligen Ritterguts S. 369
- Koppel des ehemaligen Herrmannschen Gutes S. 224
- Bauer (?) Alfred Herrmann ist im Internierungslager und wurde als NS enteignet S. 386
- Mansfeld’sches Land / Villengrundstück (S. 320ff.)
- Herrmannsches Gut und Rittergut scheinen identisch zu sein (s. 414ff.)
- Begriff Umsiedler kommt mehrmals vor
- Begriff Flüchtling (aus Schlesien) kommt vor S. 249, 329
- viele Konflikte wegen Verteilung von Wald; wegen Ungerechtigkeit bei Übergabe von Neubauernstellen
Nr. 8305 – Großbothen, Kleinbothen, Kloster Nimbschen, Seelingstädt (ehemaliger Kreis Grimma)
- Akte umfasst zwei Mappen:
- Mappe I für Seelingstädt
- darin die Liste aller 28 Neubauern, deren Stellen aus dem Rittergut Bretschneider-Bodemer gebildet wurden; verschied. Abgaben von Bauernstellen, wg. Tod, Misswirtschaft, Flucht in den Westen; Rittergut-Enteignungsakte von 1946
- keine Herkunfsangaben für die Neubauern
- Mappe II für die Gemeinden Großbothen, Kleinbothen, Kloster Nimbschen
- 1 Originalurkunde Enteignung Rittergut; Bevölkerung gemischt: Industriearbeiter und Bauernfamilien; Einzelfälle Zuteilung von Tier und Gerät; Beschwerden; Rittergut Cannewitz; ehemaliges Staatsgut Kloster Nimbschen; keine Listen zu Bodennehmer enthalten. Abgabe von Neubauernstellen weg. Abwanderung in den Westsektor. Herkunft Neubauern aus Rumänien, Schlesien. Mitgliedschaft NSDAP bzw. SED als Pro- und Gegenargument genutzt in Konflikten; „Rasseverfolgter“ aus Schlesien; Mitglied einer oberschles. Loge; Erwähnung Mecklenburg- und Brandenburg-Aktion (Tiere abgeben)
- Großbothen: 7 Neubauernstellen / ehemaliges Rittergut Cannewitz
- Kleinbothen: 8 Neubauernstellen aus Vorwerk Kloster Nimbschen
Nr. 17063 – Gemeinde Großsteinberg II und Großbothen ab 1950 bis in 80er Jahre
- Großbothen, Fortführung von Akte 8305
- verschied. Fälle von Flurstück-Abgabe bzw. Weigerung (O-Ton Frau: „…habe ich bereits einmal Heimat und Besitz verloren und bin von Erleichterungen dieser Art für die Zukunft restlos bedient.“), Übergabe an LPGs „Einheit“; „Gute Hoffnung“, Verschrottung von Geräten aus Bodenreform/Rittergut (1962), Beschwerden über Flurschaden sowjet. Truppen (1956); 30 Bodenreformkarten, darunter 5 Neubauernkarten; Herkunft Neubauern: Memel (Ostpreußen), Schlesien, Shitomir (Ukraine)
- Siedlung/Dorf Kleinbardau; Listen Kleinsiedler
- Großsteinberg II, Fortsetzung der Akte 8299
- nach Namen geordnet; Fälle wie oben, Abgaben, Übereignungen an LPG „Bundschuh“; Herkunft Ohlau (Schlesien); viele neue Namen, die in der Vorgänger-Akte 8305 nicht vorkommen
Nr. 17064 – Gemeinde Sermuth und Seelingstädt, 1950 bis 80er Jahre
- 2012 Blätter, nicht nummeriert
- die Akte ist ein ziemliches Durcheinander von Orten und Datierungen
- Durchsicht nur nach Hinweisen auf Vertriebenen
- Akte beginnt mit Seelingstädt / nach Einzelfällen geordnet
- Erstaunlich, dass die Besitztitel auch noch in den 1980er Jahren als Bodenreformland identifiziert bleiben; obwohl z. T. schon längst in LPG eingegangen bzw. mehrfach die Besitzer gewechselt haben; insgesamt ist die Kontrolle über dieses Land staatlich fixiert (z. B. nur unter Verwandten Weitergabe möglich)
- Beschwerden über Ungerechtbehandlung beim Präsidenten der DDR 1950er Jahre
originelle Quellen / O-Töne
- Beschwerdebriefe des (dann republikflüchtigen) Neubauern Roscher um 1960 (unklar, ob auch Vertriebener ist); Dorf gegen vorteilnehmenden SED-Funktionär Dippner
- Parteiprosa z. B. Bl. 190
- Gemeindeversammlung 1956 Seelingstädt (Bl. 103ff.)(Parteizugehörigkeit; Repräsentanz Neubauern
- Agrarpraxis immer wieder direkt in Politik eingehend (s. Beschwerdebriefe Roscher; Gemeindevers. Bl. 104)
- Geschlechterverhältnis (notiert Anwesenheit Frauen / Männer bei Gemeindeversammlung 1956, Bl. 103)
- Konflikte LPG wollen Geräte, Weiden aus Bodenreform, das die Neubauern nutzen (z. B. Bl. 151f., 155, 165)
- alte VdgB stellen Leistungen in Rechnung, bevor sie an LPG abgeben müssen (Bl. 153, 154)
- Klavier aus Bodenreform Bl. 139 (erinnert an Gemälde, Möbel u. a. aus Rittergut in anderen Akten)
- nur vereinzelt erkennbar: dass die Besitzwechsel von Bodenreformland im Rahmen der LPG-Wirtschaft erfolgen (in der Regel ist das nicht vermerkt); z. B. aus Bl. 188 oder 190 zu verstehen
- oft viel Konflikt um winzige Landstücke (große Wirtschaften sind alle schon in LPG?)
Nr. 5817 – Statistische Unterlagen
- Verzeichnisse aller Bodennehmer, auch Landeigentümer 100 ha, die Enteignung unterliegen
- Listen verschiedener Gemeinden